
Über ein Jahr, fast 19 Monate – so viel Zeit verging seit dem ersten Corona-Lockdown im März 2020. Oft wird von einer »neuen Normalität« gesprochen, allerdings stellt sich die Frage, ob sie wirklich eine solche ist oder sein sollte. Auch in der Kunst gibt es neue Fragestellungen, auf die es der Antworten bedarf, meint Marlen Schachinger. Schob unsere Gegenwart sie zu Recht in den Schatten? Was könnte oder kann sie für Menschen leisten? Inwiefern ist sie relevant? Wo und unter welchen Bedingungen kann sie gedeihen? Entsteht sie ausschließlich in urbanen Zentren oder braucht sie diese zur besseren Sichtbarkeit? Welche Bevölkerungsschichten erreicht sie im Dorf, in der Stadt, und durch welche Maßnahmen? Wie verändern sich diese Gegebenheiten in unserer digitalisierten Welt? Für die Autorin Marlen Schachinger sind dies drängende Fragen, denen sie in ihrem Projekt zusammen mit dem aus Italien stammenden Bildhauer Paolo Vivian nachzugehen versucht. Begonnen haben sie auf eine besondere Weise, denn einen Monat lang sandten die beiden einander täglich ein Foto zu, welches »das Empfinden der momentanen Arbeitssituation darstellte«.
Dieses Bildmaterial war der Ausgangspunkt, da es in ihrem Projekt nicht nur um Einblicke in die Literatur, sondern auch in andere Kunstrichtungen gehe. Stichwort – gattungsübergreifend. In der gegenwärtigen Ausnahmesituation frage man sich, wie wichtig Kunst und Kultur sind und wie bzw. ob sie auf aktuelle Ereignisse reagieren sollen.
Das Ziel des gemeinsamen Projektes der beiden Künstler*innen ist es nämlich, einen Dialog anzustoßen, der über das Gespräch mit dem Kooperationspartner hinausgehe. Zur gemeinsamen Reflexion über die gestellten Fragen eingeladen wurden deshalb Literatur- und Kunstrezipient*innen, die ebenfalls ihre Meinung ausdrückten. Die Corona-Lage habe ein Treffen in Wien unmöglich gemacht, miteinander gesprochen wurde in ZOOM Konferenzen, was jedoch sehr gut die aktuelle Lage widerspiegele. Man lebe seit über einem Jahr in einer virtuellen Welt, in der das richtige Gespräch von Angesicht zu Angesicht oftmals fehle, so Marlen Schachinger.
Ein Prosatext Marlen Schachingers und ein kurzes Filmprojekt Paolo Vivians sind auf Basis dieses gemeinsamen Nachdenkens entstanden, die in einem 25 minütigen Kurzfilm zusammengefasst werden. Beide künstlerischen Werke sowie die Meinungen der Rezipient*innen interagieren darin miteinander. Der Titel und das Hauptmotiv? Schatten & Licht – zwei Ebenen, die noch nie so präsent waren wie jetzt, wie Marlen Schachinger anmerkt.
International sind nicht nur die beiden Gewinner*innen der Ausschreibung, sondern auch deren Rezipient*innen, und indem der entstandene Film insgesamt in sechs Sprachen – auf Deutsch, Italienisch, Englisch, Französisch und Spanisch – zu sehen sein wird, möchte man bewusst ein möglichst breites Publikum in diesen Dialog einbinden, um ihn fortzusetzen, denn auch die Fragestellung ist eine globale. Das Thema betrifft jeden von uns und ist auf der ganzen Welt aktuell. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Österreichischen Kulturforen im Ausland hoffe man auf das Schaffen eines Raumes, in dem es Platz für diesen mehrsprachigen Dialog geben werde. Besonders in gegenwärtiger Zeit sei dies wichtig. Robert Musil, dessen Novelle »Grigia« eine Inspiration für Marlen Schachingers Projekt war, schrieb darin:
»Es gibt im Leben eine Zeit, wo es sich auffallend verlangsamt, als zögerte es weiterzugehn oder wollte seine Richtung ändern. Es mag sein, dass einem in dieser Zeit leichter ein Unglück zustösst.«
Robert Musil »Grigia«
Deshalb entschied sich Marlen Schachinger auch für den Drehort Johanniskirche, einen ehemalig sakralen Raum, der nun für Veranstaltungen genutzt wird, und für ein Bildtableau, welches symbolisch die Situation ›Es ist angerichtet …‹ evoziert. Wir sind schon sehr gespannt auf das Ergebnis, das noch im Herbst veröffentlicht wird.
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Aus dem Projekt ›Schatten und Licht‹ © Paolo Vivian / Marlen Schachinger -
Aus dem Projekt ›Schatten und Licht‹ © Paolo Vivian / Marlen Schachinger -
Aus dem Projekt ›Schatten und Licht‹ © Paolo Vivian / Marlen Schachinger -
Kameramann Sebastian Timpe © Marlen Schachinger -
Glasfenster von Max Uhlig in der Johanniskirche Magdeburg, Drehort © Paolo Vivian / Marlen Schachinger -
Aus dem Projekt ›Schatten und Licht‹ © Paolo Vivian / Marlen Schachinger -
Aus dem Projekt ›Schatten und Licht‹ © Paolo Vivian / Marlen Schachinger -
Aus dem Projekt ›Schatten und Licht‹ © Paolo Vivian / Marlen Schachinger -
Marlen Schachinger © Landeshauptstadt Magdeburg