reisen nach rumänien sind gewohnheit. seit wir das land 1991 verlassen haben. seit wir 1993 mit unseren deutschen ausweisen jedes jahr zurück kamen.
diese ewig lange reise im vollgepackten auto. bei hochsommerlicher hitze.
kenne das stehen an grenzen. das warten. dies aufgeregte warten.
kenne das ausladen an der grenze. die taschen und plastiktüten verteilt an der grenze. unsere ausweise in den händen von uniformierten.
die grüne packung jacobs krönung in der hand eines grenzbeamten.
heute reise ich allein. reise mit dem zug richtung temeswar, wo ich jetzt seit ein paar wochen als stadtscheiber lebe. überquerte im railjet die donau.
rolle am bahnhof budapest keleti meinen koffer von einem bahnsteig zum anderen. hebe meinen koffer, hieve mich selbst in den blauen zug der CFR.
căile ferate române. der rumänische zug ist beinahe leer. beginnt nach dem pfiff zu ruckeln.
links und rechts zieht budapest an mir vorbei. grün. blätter werden vom zug gestreift, winken beim vorbeifahren hinterher.
ich sitze alleine an einem vierertisch, habe die beine hochgelegt. meine weißen socken auf dunkelblauer polsterung. nur wenige menschen reisen in zügen. die flieger sind immer voll.
mit dem zug braucht es zeit. entschleunigung.
draußen zieht die puszta vorbei.
maisfelder. bucklige sonnenblumen suchen die sonne. die draußen brennt.
die ersten kornfelder sind abgeerntet. liegen im kontrast goldbraun und grün draußen vor dem fenster. lila schimmert lavendel. ein reh steht auf freiem feld.
ein halt. grenzland. warten.
passport, ID please! die grenzpolizei. rendőrség. zwei männer und eine frau sind eingestiegen. die polizistin trägt eine eckige braune tasche vor dem bauch.
sie scannt meinen deutschen personalausweis mit einem gerät.
thomas?
– igen.
danke. sagt sie.
nachdem sie sich auch vergewissert hat, dass ich dieser thomas bin. dieser thomas aus dem ausweis. bedankte sich auf deutsch.
sie steigen aus. warten.
der mais weht im wind. der grenzbahnhof eine große baustelle.
kein pfiff. wir ruckeln einfach weiter.
wo ist die grenze? auf offenem feld? welches feld genau?
auf google maps, von oben betrachtet, ist es dieses eine schiefe feld.
mittendurch ein strich gezogen.
wir fahren ein stück. das gras ist nicht grüner auf der anderen seite.
die grenze im zug ein fließender übergang.
plötzlicher halt in rumänien.
warten.
auf eine neue lok.
nach fast neun stunden fahrt, zehn mit zeitverschiebung, pünktliche ankunft in timișoara nord.
ich lese an der westuniversität. auf einladung der österreichbibliothek.
studentinnen warten gespannt. lauschen meiner eigenen auswanderungsgeschichte. wir gingen weil alle gingen.
im warmen raum erzählt eine junge frau vom ausgewanderten deutschen teil ihrer familie. menschen, die mit ihrem herkunftsland rumänien nichts mehr zu tun haben wollen.
sie erzählt vom funken hoffnung. den sie in social media gesetzt hatte. die hoffnung an ein anknüpfen. ein wiederbeleben des kontakts. wiederbeleben von verwandtschaft.
doch bleibt die kontaktverweigerung.
schmerz auf beiden seiten.
ich verurteile diese entscheidung nicht. erzähle von menschen, denen ich im laufe meiner arbeit begegnet bin. die mit dem land, das sie verlassen haben, abgeschlossen haben. aus verschiedenen gründen.
ich bin zurück. lebe jetzt in meinem herkunftsland. herzkunft. schrieben meine finger. ich bleibe eine weile hier.
was das mit mir machen wird?
Der Text entstand im Rahmen der Reihe ›Begegnungen – Eine literarische Reise österreichischer Autor*innen durch Rumänien‹ vom Österreichischen Kulturforum Bukarest. Diese Mikro-Journale wurden auf Initiative der Leiterin der Österreich-Bibliothek in Cluj-Napoca, Prof. Laura Laza, ins Leben gerufen.