Messages an fremde Intelligenzen zu formulieren – so einfach der Grundgedanke des von Nika Pfeifer initiierten Projekts klingen mag, so philosophisch gestaltet sich der Austausch, der sich in den kommenden Monaten zwischen Südtirol, Wien, Berlin, Brüssel, Köln und Hawaii entspinnen wird. Um eine möglichst große Bandbreite zu erreichen, hat sie zu diesem Dialog sechs weitere Künstler*innen eingeladen, die nicht nur aus unterschiedlichsten geografischen Örtlichkeiten stammen und in der größten Altersdistanz 60 Jahre umspannen, sondern auch verschiedene Arten und Medien des künstlerischen Ausdrucks nutzen.
NEUE SPRACHEN FINDEN
Entstanden ist die Idee zu dem Projekt, weil Nika Pfeifer sich schon lange für die Frage interessiert, »wie Sprache eingesetzt werden kann, mit Zivilisationsbrüchen umzugehen«. Sie hat sich, wie sie im Gespräch erzählt, intensiv mit Dichter*innen aus Mikronesien und Hawaii beschäftigt, die ihre indigenen Sprachen wiederbeleben. Wie geht man mit diesen kolonialistischen Erfahrungen um, welche Sprache kann man finden? Wie kann man Neues in die Welt bringen, das bisher noch nicht da war? Und wie sich dem öffnen, das eigentlich schon vorhanden ist?
Die Möglichkeiten sind unendlich, doch wo beginnen? »Der Bastard als neue Form des Sprechens«, lautet das Motto. Die Brücke, die unter anderem in dem Projekt geschlagen werden soll, ist eine nur auf den ersten Blick überraschende: Es ist jene zwischen den humoristischen Dialektgedichten der Wiener Gruppe, vertreten durch Gerhard Rühm in Köln, und der hawaiianischen Pidgin-Sprache, die häufig als Dialekt bezeichnet wird. Ihr verschrieben hat sich der auch an der Hawaii Pacific University unterrichtende Autor Lee A. Tonouchi, der nicht nur seine literarischen, sondern auch seine akademischen Werke auf Hawaiian Pidgin verfasst.
VOM ALIEN ZUM BODENSEEAAL
Die Fantasie, mit anderen Intelligenzen in Kontakt zu treten, könne man aus kulturgeschichtlicher Perspektive schon lange zurückverfolgen; sie laufe parallel zur menschlichen Entwicklung von neuen Kommunikationsmethoden. Erste Bemühungen in diese Richtung habe es, wie Nika Pfeifers Projektpartner Lukas Matthaei erklärt, schon im 18. und 19. Jahrhundert gegeben. Interessant sei in diesem Zusammenhang etwa die Erfindung des Radios, dessen Pioniere sich sicher waren, in zehn oder zwanzig Jahren über Radiowellen auch mit außerirdischem Leben kommunizieren zu können. Aber auch popkulturelle Erzeugnisse wie die Sci-Fi-Serie »Star Trek« oder der Film »Arrival« sagen viel über die menschliche Faszination an diesem Thema aus. Was sie alle jedoch gemeinsam haben, ist, dass »wir schlussendlich immer zu menschlichen Lösungen kommen. Wir können uns nur Kommunikationsweisen vorstellen, die viel über unsere menschliche Art zu kommunizieren erzählen – Augen, Ohren, Mund.«
Doch wie könnten Botschaften generiert werden, die für nichtmenschliche Intelligenzen verständlich sind? Letztlich führe die Beschäftigung mit extraterrestrischer Kommunikation immer auch zu der sprachphilosophischen Frage, was eigentlich ein Satz sei, was eine Aussage. »Was könnte«, wirft Nika Pfeifer in den Raum, »Sprache alles sein, außer der kommunikativen funktionalen Form, die unser zwischenmenschliches Zusammenleben häufig beschränkt?«
Sehr schnell lande man auch bei der Frage, wer eigentlich definiere, wann ein Lebewesen als intelligent einzustufen sei. Was könnte eine Intelligenz, die nicht unsere ist, alles umfassen? Darüber hinaus solle bei dem Projekt nicht nur außerirdisches Leben in den Blick genommen werden. Vielmehr sei das Ziel, die aufgeworfenen Fragen auch auf die hiesige Welt zurückzuprojizieren, wo wir mit Intelligenzen umgeben seien, die wir erst langsam zu respektieren und wertzuschätzen lernen. »Könnte«, schlägt Nika Pfeifer vor, »mit anderen Intelligenzen nicht auch der Bodenseeaal gemeint sein, der in Stereo riechen kann?«
EINE FLASCHENPOST UM DIE WELT
Als größte Herausforderung des Projekts bezeichnet Nika Pfeifer die Zeitdifferenz. Wenn es in Wien 12 Uhr mittags ist, ist es in Honolulu 1 Uhr nachts, deshalb müssen »die einen also sehr früh aufstehen, die anderen abends kreativ sein«. Oder man mache, wie Lukas Matthaei scherzt, »gleich gemeinsam durch«.
Der zirkuläre Austausch zwischen den Projektpartner*innen, der zu großem Teil online stattfinden wird, ist ihnen sehr wichtig. Es gehe nicht darum, einer zentralen Instanz Texte abzugeben, die man im stillen Kämmerchen verfasse oder vielleicht sogar schon in der hinteren Ecke einer Lade parat habe, sondern um den Kontakt zueinander. Die Teilnehmenden sollen nicht nur Aliens, sondern auch einander Messages schicken, sich gegenseitig Challenges stellen und aufeinander reagieren, sodass sie »gemeinsam zu einem Dritten kommen, das man vorher noch nicht so gesehen hat.«
Etwas analoger als mit den anderen Beteiligten werde sich die Zusammenarbeit mit Gerhard Rühm gestalten, der weder ein Handy noch einen E-Mail-Account besitze. Da aber gerade das Finden und neu Entdecken von anderen Formen der Kommunikation das Kernthema des Projekts sei, freue sie diese Herausforderung besonders. »Wir werden«, meint Lukas Matthaei, »gucken, welche Art von Flaschenpost wir uns aus Köln angeln können, die wir dann digitalisieren, nach Hawaii schicken und von dort aus wieder zurück«.
Auf die Frage, was sie mit dem Projekt erreichen möchte, antwortet Nika Pfeifer mit einer Metapher:
»Das kaʻupu [Anm: hawaiianisches Kanu], das erlaubt, über die Inseln in Hawaii zu gleiten und zu schweben, ist auch sehr anfällig für die Probleme unter ihm, zum Beispiel Ölverschmutzung oder Plastik, das sich verfängt. Wir segeln und fischen herum und schauen, was wir unterwegs einfangen.«
Es gehe um die Verbindungen, die man herzustellen versuche und um eine Art des Austauschs, die nichts mit kolonialistischer Raubfischerei zu tun habe. Darum, Neues zu kreieren und voneinander für die Zukunft zu lernen. ›WOT DA FUTURE‹, wie schon im Titel des Projekts steckt.