
»Man muss sich beeilen, wenn man etwas sehen will, alles verschwindet.«
Ein Instagram Posting mit einem Satz von Paul Cézanne. Dadurch wurde die Idee in Petra Piuk geweckt, sich mit einem allgegenwärtigen Thema zu beschäftigen: Dem Verschwinden. Sei es das Verschwinden von Alltäglichem, von Arten, Regenwäldern oder auch Demokratien: In den Nachrichten und auch im Schreiben ist es stets präsent.
Zusammenarbeit
Sowohl für Petra Piuk als auch für Bastian Schneider ist es der erste Versuch, ein Buchprojekt zu zweit mit einer/m anderen Autor*in zu starten. 2018, als sie einander beim ›Hausacher LeseLenz‹, kennenlernten, begannen sie gleich, sich gegenseitig Texte zu schicken.
Das Thema Verschwinden begleitet sie beide in ihren literarischen Texten bereits länger. So kommt der Protagonist in Bastian Schneiders soeben erschienenem Roman »Das Loch in der Innentasche meines Mantels« (Sonderzahl, 2022) im Laufe der Geschichte immer mehr abhanden. Und auch in Petra Piuks Texten wurde das Verschwinden schon wiederholt thematisiert.
In Vorbereitung auf das aktuelle Projekt suchen sie nach Orten des Verschwindens oder solchen, die in naher oder ferner Zukunft verschwinden werden. Petra Piuk plant Reisen nach Venedig, nach Lissabon und auch zu Gletschern. Sie möchte mit Einheimischen sprechen und ihren Eindruck der Veränderungen festhalten.
Bastian Schneider hingegen möchte beispielsweise den Braunkohleabbau in Nordrhein-Westfalen und Erinnerungen an vergangene Reisen thematisieren. Auch politische Streitpunkte wie das Auslagern eines Großmarkts in Köln, der aus dem Stadtbild entfernt werden soll, dienen dem Autor als Inspiration.
Um die Erfahrungen und Gegebenheiten festzuhalten, machen beide Schnappschüsse mit ihrem Handy und einer Polaroid-Kamera. Die Fotos werden Teil des Projekts und der Erzählungen.
»Der Impuls zu schreiben beinhaltet die Vorstellung, Dinge vom Verschwinden abhalten zu können. Schreiben ist immer eine Form von sich Bewusstmachen und Erinnern (…)«
Bastian Schneider
Der Text verschwindet
Entstehen soll am Ende eine Publikation aus einem bunten Mosaik aus Ansichtskarten, Fotos, Interviews – beispielsweise mit dem Inhaber einer der letzten Videotheken – und Prosaminiaturen, die Erinnerungen einsammeln. Projektziel ist somit auch ein Verschwinden der Gattungsgrenzen. Das Verschwinden soll nicht nur beschrieben oder durch Bilder gezeigt werden, sondern tatsächlich erlebbar sein. Die beiden Autor*innen spielen mit der Idee, den Text selbst verschwinden zu lassen. Sei es eine Schrift, die mit der Zeit verblasst, oder ein Inhalt, der mit jeder Auflage des Buchs weniger wird, sodass sich das Buch in ein Notizbuch verwandelt, in dem Erinnerungen aufbewahrt werden können. Die Leser*innen sollen so angeregt werden darüber nachzudenken, was das Verschwinden tatsächlich für sie bedeutet. Das Ziel ist ein durch die Texte und Fotos erzeugter Dialog, der mit den Leser*innen weitergeführt und zu einem gemeinsamen Erinnern werden soll.
Eines ist jedenfalls sicher und wird auch bereits durch den von Bastian Schneider angeregten Titel »Verschwindungen« angedeutet:
»Es ist ein sich Winden. Das Verschwinden ist aktiv und fordert zum Handeln auf. Denn Orte und Dinge verschwinden keineswegs ohne Gegenwehr.«
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Petra Piuk ©Ines Scholz / ÖGfL -
Bastian Schneider ©Pierre Horn -
Petra Piuk ©Ines Scholz / ÖGfL -
Bastian Schneider ©Marie Floride -
Petra Piuk ©Ines Scholz / ÖGfL -
Bastian Schneider ©Silviu Guiman -
Petra Piuk ©Ines Scholz / ÖGfL