Seitdem die tschechische Schriftstellerin Radka Denemarková 2017 Grazer Stadtschreiberin war, ist sie mit ihrer dort wohnhaften Kollegin Olga Flor befreundet. Diese menschliche, aber auch intellektuelle Freundschaft, die sie in unserem Gespräch auch als »Geschenk des Himmels« bezeichnet, hat nun im Rahmen der Ausschreibung ›Imagine Dignity‹ zu einer »Prager Premiere« geführt: der ersten Zusammenarbeit der beiden Autorinnen miteinander, die zugleich auch das allererste kollaborative Schreibprojekt beider darstellt.
Politisches Schreiben
Wenngleich viele Schriftsteller*innen davor zurückschrecken, sich als politisch zu bezeichnen, um dem Ideal der reinen Kunst näher zu kommen, ist die Selbstauffassung als politische Autorin ein Aspekt, der Olga Flor und Radka Denemarková wichtig ist und der sie auch miteinander verbindet.
Ich denke, auch und gerade als Frauen, also als Angehörige einer in bestimmten Teilen der Welt marginalisierten Gruppe, kann man gar nicht über Sprache nachdenken und über die Erzählperspektive, ohne dass sich automatisch ein politischer Aspekt hineinschleicht.
Olga Flor
Es ist nicht so, dass wir politisch sind, dass wir am Tisch sitzen bei Diskussionen usw., das machen viele. Aber wir leben es und wir möchten damit etwas machen.
Radka Denemarková
Die KI als neue, unkontrollierte Macht
Olga Flor und Radka Denemarková betonen die Bedeutung des kritischen Diskurses, der zur Erhaltung der Demokratie notwendig sei. Einen solche müsse es auch über Künstliche Intelligenz geben, die die beiden Schriftstellerinnen als potentielle Gefahr wahrnehmen: Nicht nur könne die neue Technologie für Propaganda, Desinformation und die Verbreitung von Fake News eingesetzt werden, auch sei fraglich, wie die Einspeisung der KI mit Inhalten erfolge. Die Frage der KI sei immer auch eine der Moral. Um ein Verrutschen des öffentlichen Diskurses zu verhindern, müsse ein ethischer Umgang mit der KI gefunden und Werkzeuge entwickelt werden, die der Legislative Handlungsspielräume eröffnen.
Kauderwelsch Intelligence
In den im Rahmen des Projekts entstehenden Essays beschreiben Olga Flor und Radka Denemarková »Krankheiten unserer Zeit, und wahrscheinlich auch Krankheiten, die noch niemand sieht«; zugleich suchen sie nach möglichen Lösungsansätzen.
Der Titel des Projekts ist nicht nur ein Wortspiel mit KI, sondern beinhaltet, so Olga Flor, »auch unser beider Meinung zu dem Thema, dass Vermischung – intellektuelle, sprachliche, menschliche – immer das Fruchtbarste hervorbringt.« Dabei sei es das Ziel, ganz bewusst gegen Sprachnationalismen zu arbeiten, denn das Kauderwelsch, eine verachtete Sprachform, habe viel Interessantes entstehen lassen.
Die Form der Vermischung erweist sich auch als Modus der Zusammenarbeit. Denn, nachdem die beiden Autorinnen in der ersten Phase des Projekts jeweils für sich alleine an ihren Texten geschrieben haben, werden diese nun im zweiten Schritt während eines gemeinsamen Aufenthalts in Prag miteinander verschnitten. Wenngleich zum Zeitpunkt unseres Gesprächs noch nicht feststand, ob schlussendlich zwei oder doch nur ein gemeinsamer Essay entstehen werden, ist es von besonderer Bedeutung für die beiden Autorinnen, ihre Texte miteinander kommunizieren zu lassen.
Zum ganzen Gespräch: https://www.literaturdialoge.at/folge-17-kauderwelsch-intelligence/
Erste Ergebnisse des Projekts werden am 14. März im Österreichischen Kulturforum Prag präsentiert: https://www.oekfprag.at/literatur/olga-flor-a-radka-denemarkova-2024-03-14/