Wie könnte ein optimistisches Spekulieren über die Zukunft aussehen? Welche Rolle könnte KI dabei spielen? Welche Drohungen erfüllen sich nicht in der spekulativen Fiktion, wo erfüllen sich Dystropien zwar, aber auf eine andere Weise?
In ihrem gemeinsamen Projekt widmen sich die österreichische Autorin Elisabeth Klar und der iranische Schriftsteller und Übersetzer Mahmoud Hosseini Zad, die sich quasi über die Ausschreibung kennengelernt haben, diesen Fragen. Dabei nähern sich die beiden aus unterschiedlichen Generationen, Ländern und politischen Systemen stammenden Autor*innen dem Thema aus vollkommen verschiedenen Perspektiven an, was für Elisabeth Klar das Spannende an dieser Zusammenarbeit ausmacht. Berührungspunkte zwischen den beiden Texten »In Unruhe tanzen« und »Aus einer anderen Welt komme ich« sind dennoch vorhanden.
Ein hoffnungsvoller Beginn
Das Thema der Ausschreibung habe ihn, wie Mahmoud Hosseini Zad in unserem Gespräch erzählt, aufgrund seiner Aktualität interessiert. Denn: »Überall hört man jetzt: KI, KI, KI.« In seinem Beitrag blickt er auf sein bisheriges Leben zurück und resümiert die Erfahrungen, die er in unterschiedlichen politischen Systemen, in der Diktatur, aber auch im Exil, mit Technologien gesammelt hat. Dabei ist ihm wichtig zu betonen, dass diese immer gute und schlechte Seiten haben, es aber darauf ankomme, in wessen Händen sie sich befinden. Auf der einen Seite können die zensierenden Staaten wie etwa der Iran als »Big Brothers« betrachtet werden, auf der anderen Seite werden heutzutage jedoch auch diese von anderen »Big Brothers« beobachtet, sodass immer ein Gleichgewicht hergestellt werde.
Zwar sei es nicht möglich, eine »Wettervorhersage« für die Zukunft zu treffen, dennoch ist Mahmoud Hosseini Zad für die Zukunft optimistisch gestimmt – auch aufgrund der neusten technischen Entwicklungen:
»Jetzt, wenn man KI sagt, denkt man sofort an Textbearbeitung, Sprache, Umwelt – das ist ein hoffnungsvoller Beginn für diese Technologie.«
Mahmoud Hosseini Zad
Ein Hype mit Ablaufdatum
Auch für Elisabeth Klar bildet die momentane Faszination für Künstliche Intelligenz ihren Ausgangspunkt. Die Zukunft, die sie in ihrem Essay beschreibt und in der auch ihr neuester Roman »Es gibt uns« (2023) angesiedelt ist, liegt jedoch nicht in wenigen Jahrzehnten, sondern in einer Zeit nach dem Klimawandel. Dort gibt es in der Zukunftsvision der Autorin keine KI mehr, was, wie Elisabeth Klar erzählt, so manche Rezensent*in überrascht hat. Doch da die Energieressourcen immer rarer werden, sei ein Ablaufdatum der Künstlichen Intelligenz vorbestimmt.
Doch welche Rolle könnten Technologien in der Utopie einnehmen? Für Elisabeth Klar ist eindeutig: Wohl weder die der Retterin vor dem Klimawandel noch die des übermächtigen Bösewichts, als welche die KI gerne betrachtet wird. Stattdessen finde sie es spannend, anstatt eindeutiger Rollen die komplexen gegenseitigen Abhängigkeiten von Mensch, Natur und Technologie zu beschreiben:
»Wir leben in einem System von ganz essentiellen gegenseitigen Abhängigkeiten. Wie kann man sich mit diesen gegenseitigen Abhängigkeiten auseinandersetzen? Welche Spannungen, welche Konflikte, welche ethischen Widersprüche treten auf? Wie kann man im Umgang miteinander Regeln finden, auf die man sich einigen kann, die auch ein Leben lebenswert machen können?«
Elisabeth Klar
Gerade der letzte Aspekt, die Frage, wie man in einer vom Klimawandel geprägten Welt utopische Momente finden könne, sei jedoch vollkommen von der Technologie unabhängig. Denn: »Das, was uns letztendlich rettet, ist immer, wie wir unser Zusammenleben gestalten – mit anderen Menschen oder auch mit unserer Umwelt.«
Zum ganzen Gespräch mit Elisabeth Klar und Mahmoud Hosseini Zad: https://www.literaturdialoge.at/folge-23-in-unruhe-tanzen-aus-einer-anderen-welt-komme-ich/