Wie Olja Alvir zu Beginn des Gesprächs erzählt, war der Anschlusspunkt zur Ausschreibung für sie schlicht Lyrik. Vor allem in ihrer englischsprachigen Lyrik – beide Autor*innen schreiben mehrsprachig – hat sie sich bereits in früheren Arbeiten viel mit dem Themenkomplex des Anthropozän und den Veränderungen der Welt beschäftigt. In der Ausschreibung sah sie die Möglichkeit, dieses Thema auch in prosaischem oder essayistischem Schreiben zu beleuchten.
Auch Léonce Lupette hat sich bereits viel mit aufkommenden KI-Programmen auseinandergesetzt. Nun wollte er einen anderen Ansatz für die textliche Verarbeitung des Themas wählen, denn meist wird die Auseinandersetzung nicht in die Sprachstruktur selbst mit einbezogen. Es wird viel darüber geschrieben und gesprochen, aber eine strukturelle Auseinandersetzung in der eigenen Sprache fehlt meist noch.
Das Projekt
Der gemeinsame Text der beiden Autor*innen baut sich wie ein Textgeflecht auf. Sie haben jeweils an unterschiedlichen Strängen geschrieben, die sich dann an Schnittstellen miteinander verknüpfen. Einer dieser Textstränge im Dialog ist selbst die Stimme einer künstlichen Intelligenz, die als eine Art Figur auftritt.
Aber es ist nicht das, was ein Interface ausspucken würde, sondern der Versuch, wie innerliche Abläufe so einer Maschine versprachlicht werden könnten.
Léonce Lupette
Es entstehen dadurch unterschiedliche Aussagen und Interaktionen mit anderen Figuren.
Für sie besonders wichtig war nicht die Vorstellung, wie ein Zukunftsszenario mit einer übermächtigen KI, wie es häufig in Dystopien beschrieben wird, aussehen könnte. Vielmehr wollten Sie Fragen stellen, die über diese dystopische Vorstellung hinausgehen. Wie Olja Alvir weiter erläutert, ist es der Versuch die neue Realität, mit der wir konfrontiert sind, in Sprache abzubilden und gleichzeitig neue Varianten des Umgangs mit der Natur zu betrachten.
Alles ist durchdrungen
Neben der Künstlichen Intelligenz nimmt in ihrem Text auch Mikroplastik eine besondere Rolle ein.
Mikroplastik und die Allgegenwertigkeit ist ein Aspekt, der sowohl die Sprache und die Poetik des Textes strukturiert als auch die Handlung selbst.
Olja Alvir
Das durch Menschen erzeugte Material zeigt, wie etwas unsichtbares unbemerkt andere Dinge durchdringen kann. Sie wollen dabei der Frage nachgehen, was es heißt, wenn Dinge einander durchdringen und gleichzeitig welche Gefahren und Konsequenzen diese Stoffe bergen können.
Die Zusammenarbeit
Der gemeinsame Text von Olja Alvir und Léonce Lupette entstand durch eine intensive Zusammenarbeit. Sie schickten sich nicht nur Anmerkungen und Kommentare zu größeren Abschnitten, sondern besprachen den Text bis hin zu einzelnen Sätzen und Formulierungen. Wie Olja Alvir betont, waren es gerade die technischen Fortschritte, die in ihrem Text kritisch beleuchtet werden, die diese Art der Zusammenarbeit ermöglicht hat. Die technologischen Grundlagen für den Text sind somit auch ein wichtiger Faktor für seine Form.
Die Zusammenarbeit mit anderen Autor*innen nimmt für Olja Alvir und Léonce Lupette, die beide auch als Übersetzer*innen arbeiten, auch sonst einen wichtigen Platz in ihrer Arbeit ein. So waren beispielsweise die Lyrikdebüts von beiden durch viel Zusammenarbeit gekennzeichnet.
Zum ganzen Gespräch mit Olja Alvir und Léonce Lupette: Interview