In Österreich sind etwa 450.000 Menschen von einer Hörbeeinträchtigung betroffen. Zigtausende davon sind gehörlos oder so hochgradig schwerhörig/ertaubt, dass ihnen eine Verständigung allein über das Gehör auch mit Hörhilfen kaum möglich ist. Diese Personen verständigen sich häufig über die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS), worauf Dorina Heller in ihrer Bewerbung aufmerksam macht. Der Ausgangspunkt des entstehenden Projekts ist eine große Lücke – es gebe in Österreich bislang fast keine Kooperationen zwischen hörenden Künstler*innen und der Community der Gehörlosen. Diese Leerstelle versuchen Dorina Heller, Juan Carlos Friebe, Laura Kuczera und Caroline Obermaier mit acht Dialogschritten zu füllen. Dabei setzen sie sich u.a. zum Ziel, das Publikum darauf zu sensibilisieren, dass Gehörlosenkultur und Gebärdensprache einen gleich hohen Stellenwert haben wie die Sprach- und Kulturräume der hörenden Personen.
Indem die Reihenfolge der einzelnen Schritte festgelegt ist und die Kommunikation in Gedichten stattfindet, hätte der in drei Sprachen geführte Dialog ohne gegenseitiges Vertrauen nicht stattfinden können. Wie Dorina Heller betont, lassen sich die Übersetzungen viel leichter anfertigen, wenn die Texte bzw. Werke in guten Händen sind und man den Übersetzer*innen komplett vertrauen könne – man glaube an das literarische und emotionale Gespür der Projektpartner*innen. Der nachfolgenden Grafik kann man entnehmen, aus welchen Schritten der Dialog besteht:
Das Stichwort „Dialog“ ist für das Projekt ›Aufgebärden: (Intermodale) Dialoge am Rand des Sagbaren‹ von besonders großer Bedeutung. Dadurch, dass die Texte von anderen Personen übersetzt werden, distanziert man sich von einem eindimensionalen Umgang mit dem Geschriebenen. Die einzelnen Elemente werden auf eine Art und Weise übertragen, an die man selbst vielleicht gar nicht gedacht habe, so Dorina Heller. Man dürfe auch nicht vergessen, dass es in der Lyrik kein „richtig“ und kein „falsch“ gebe. Viel wichtiger seien unterschiedliche Zugänge zu lyrischen Texten, die durch Übersetzungen viel präsenter werden – ein Beispiel aus dem Projekt ist die doppelte Bedeutung des spanischen Verbs abrazar, welches zum einen umarmen und zum anderen annehmen bzw. akzeptieren bedeutet. Eine Frage, die sich stellt, ist: Wie solle man das ins Visuelle übertragen? Handle es sich um eine Umarmung oder die Akzeptanz, erzählt Laura Kuczera – eine Herausforderung, aber gleichzeitig ein Element, wofür das Projekt lebe und welches Dorina Heller, Juan Carlos Friebe, Laura Kuczera und Caroline Obermaier eine Möglichkeit biete, sich weiterzuentwickeln – nicht nur literarisch, sondern auch sozial.
Desde que comencé a trabajar en este proyecto estoy desarrollando la idea de una poesía que incorpore de algún modo la maravillosa expresividad corporal y gestual de Caroline a mi propia producción literaria para que sea más plástica, más sustantiva, con menos artículos, preposiciones o determinantes… Menos sometida a la mecánica del lenguaje hablado y escrito y más expresiva: que atienda no solo a las palabras, sino también a los silencios: a aquello que no se puede decir de otra manera que un beso o con un abrazo. Personalmente, además, se ha abierto un campo nuevo de reflexión sobre la comunicación que está resultando muy enriquecedor en todos los sentidos.
Seit ich mit der Arbeit an diesem Projekt begonnen habe, habe ich die Idee einer Poesie entwickelt, die Carolines wunderbare körperliche und gestische Ausdruckskraft irgendwie in meine eigene literarische Produktion einbezieht, so dass sie plastischer, substanzieller, mit weniger Artikeln, Präpositionen oder Determinanten ist… Weniger der Mechanik der gesprochenen und geschriebenen Sprache unterworfen und ausdrucksstärker: die nicht nur auf Worte achtet, sondern auch auf das Schweigen, die Pausen, die Stille: auf das, was nicht anders als mit einem Kuss oder einer Umarmung gesagt werden kann. Für mich persönlich hat sich dadurch ein neues Feld des Nachdenkens über Kommunikation eröffnet, das sich in jeder Hinsicht als sehr bereichernd erweist.
Juan Carlos Friebe
Allgemein habe ich bemerkt, wie wenig Projekte es gibt, bei denen auch die Gebärdensprache miteinbezogen wird. Solche Projekte machen die Gebärdensprache bekannter und man lernt zu akzeptieren, dass die Gebärdensprache auch eine Sprache ist. Ich habe auch bemerkt, dass ich offener bin bzw. öfters meine verletzliche Seite zeige. Ich gebärde so offen und künstlerisch wie noch nie zuvor. Es gefällt mir wirklich gut, dass ich meine Gebärdensprache auch durch Mimik, Gestik und Körperbewegungen gestalten kann.
Caroline Obermaier
Auch wenn es schwierig ist, über die Inhalte der Gedichte zu sprechen, lassen sich einige thematische Schwerpunkte feststellen. Sowohl im ersten Dialogteil als auch in den weiteren Schritten geht es verstärkt um die Fragen, was es heißt, eine Frau in der Gesellschaft zu sein, in der wir gerade leben, sowie, was es bedeutet, als Frau gehört und gesehen zu werden bzw. nicht gehört und nicht gesehen.
Für das Projekt bzw. für die Arbeit am Projekt sind allerdings nicht nur Frauen von Bedeutung, sondern allgemein die Menschen und die Kommunikation zwischen ihnen.
Ich finde klare Kommunikation und Zeit sind für mich wichtig, wenn ich mit den Projektpartner*innen zusammenarbeite. Mit der Zeit kommt es zu einer klaren Kommunikation und diese wird zudem kreativer – das finde ich außergewöhnlich an diesem Projekt.
Caroline Obermaier
Lo más importante para mí de este proyecto son las personas que he conocido, o que estoy empezando a conocer, gracias a Dorina Heller, con quien tuve la fortuna de trabajar en un proyecto de la UNESCO. Los objetivos del proyecto son muy inspiradores para quienes participamos en el mismo: advertir la exclusión de las personas sordas de la oferta cultural convencional, y trabajar en su inclusión a través de los lenguajes de la poesía y de las señas no es solo innovador, sino emocionante.
Das Wichtigste an diesem Projekt sind für mich die Menschen, die ich dank Dorina Heller, mit der ich das Glück hatte, an einem UNESCO-Projekt mitzuarbeiten, kennengelernt habe oder noch kennenlernen werde. Die Ziele des Projekts sind für uns, die wir daran beteiligt sind, sehr inspirierend: den Ausschluss von Gehörlosen aus dem konventionellen Kulturangebot zu bemerken und an ihrer Beteiligung durch die Sprache der Poesie wie der Gebärden zu arbeiten, ist nicht nur innovativ, sondern auch bewegend.
Juan Carlos Friebe
Nicht nur ›innovativ‹, sondern auch ›bewegend‹ – das bringt das Anliegen des Projektes ›Aufgebärden‹ auf den Punkt.